Lionel Sabatté

Für diese Einzelausstellung gibt das MAMC+ Lionel Sabatté freie Hand auf über 600m². Der französische Künstler lebt zwischen Paris und Los Angeles und interessiert sich seit über 20 Jahren für die Verwandlung der Materie und ihre Inkarnation in seltsamen Bestiarien, zum Beispiel Wolfsmeuten, die aus Staub entstanden sind, Krokodilen mit zahllosen Schuppen aus Geldstücken oder Eulen aus abgeschnittenen Nägeln. In Saint Étienne schafft er etwa fünfzig Werke speziell für die Ausstellung, es sind Skulpturen, Malereien, Oxydierungen auf Platten, Installationen und Zeichnungen, die abwechselnd aus Bronze, Beton oder Haut bestehen.

In dem Parcours durch die verschiedenen Ausstellungsräume entfaltet sich eine dem Künstler eigene Kosmogonie, die organisch, mineralisch und tierisch ist. Ein ehemaliger Kastanienbaum aus Saint Étienne erlebt eine neue Blüte; Vogelfelder, wie Stalagmiten, paaren sich mit Vogelleichen. Es scheint sich um die Reste des vorhergehenden Raumes zu handeln, diese „Oxydierungskaverne“ mit ihren irden goldenen, rostigen, grünenden Oberflächen, die den Besucher zu einer Initiation in den unterirdischen Tiefen einladen. Die Reise, die Lionel Sabatté vorschlägt, beginnt in einem Ur-Magma, aus dem im Weiteren manches entsteht, das einen Blick auf die tierischen und pflanzlichen Verwandlungen bietet. 

Die menschliche Figur, die in einem zweiten Kapitel entsteht, hat es schwer, sich in diesem Parcours durchzusetzen, der den langen Zyklen des Lebens der Pflanzen und Tiere verwandt zu sein scheint. Der Mensch ist fragmentarisch, aufgesplittert, besteht aus zusammengefügtem Bauschutt, scheint sich genauso gut herausbilden wie seinen Ruin begrenzen zu wollen. Die schiefen, sich kaum im Gleichgewicht haltenden Figuren stehen mit der riesigen „Mauer der  Öffnungen“ im Dialog. Diese besteht aus Zement und Betoneisen und bildet eine körperliche Membran, die sowohl den Raum aufteilt, als auch seine Gesichter auf beiden Seiten miteinander verbindet. Ganz am Ende der Ausstellung befindet sich ein großes, rechteckiges, durchsichtiges Gewebe, das aus Tausenden von Hautrückständen geschaffen wurde und auf die zahlreichen, nur skizzenhaft angedeuteten Gesichter auf Papier verweist, welche aus Haaren und Staub zusammengestellt wurden. Es hängt im Raum, bietet sich dem durchscheinenden Licht, ist ein Auffangbecken der Energie und der Abschluss eines Parcours, den der Künstler sich alchemistisch und aszendent vorstellt.

Lionel Sabatté zufolge sind die hier versammelten Werke wie Fahrzeuge, wie kleine Schiffe, die es dem Besucher ermöglichen, sich in Raum und Zeit zu bewegen, von den geologischen Schichten an, bis hin zum gegenwärtigen Moment, auf dem Weg von der Erde zum Himmel.